Künstler*innen

Doron Rabinovici

© Von Dontworry

Biografie

Ich wurde 1936 in eine glückliche wiener jüdisch-katholische Großfamilie hineingeboren. Mein Vater Ruben und sein Bruder Jacob, gemeinsam ein Taxiunternehmen betreibend, mussten als Mitglieder der damals rund eintausend Personen umfassenden sefardisch-jüdischen Gemeinde in Wien im Jahr 1938 vor den Nationalsozialisten über Amsterdam nach Paris fliehen. Aber auch meine Mutter Maria, mein Bruder Harry und ich sahen uns zahlreichen Repressalien ausgesetzt, weshalb 1938 erst mein Bruder (dank eines Kindertransports der Œuvre de Secours aux Enfants OSE), und 1939 dann meine Mutter gemeinsam mit mir ebenfalls nach Paris flüchteten. Mit Kriegsbeginn im September 1939 waren wir jedoch auch dort nicht mehr sicher: Mein Vater wurde mehrmals (u.a. im Tennisstadion von Roland-Garros) interniert, mein Onkel schloss sich in seiner Verzweiflung der Fremdenlegion an, und meine Mutter floh schlussendlich zu Fuß mit ihren beiden Kindern an der Hand und unter Beschuss durch Kampfflugzeuge der deutschen Wehrmacht in den Süden nach Orléans. Nach mehreren Internierungen 1940 und 1941 in verschiedenen Anhaltelagern (u.a. Bondigoux und Brens (Tarn)), wurde unsere Familie schließlich unter widrigsten Bedingungen für knapp zwanzig Monate im Konzentrationslager Rivesaltes eingesperrt, wobei wir vier bald von einander getrennt verwahrt wurden. 1942 kamen wir, knapp einer Deportation in ein Vernichtungslager entgehend, dank gefälschter Berufsbestätigungen als Bergarbeiter für meinen Vater aus dem Lager heraus und mussten uns in der Braunkohlebergwerk bei La Caunette (Hérault) einfinden, in welcher mein Vater dann bis 1948 arbeitete, wodurch er später an Silikose erkrankte. Ich selbst war nach dem Lageraufenthalt in einem desolaten gesundheitlichen Zustand, und litt noch etliche Jahre nach dem Holocaust an den Folgen dieser Zeit – ähnlich wie mein Bruder Harry, der sich sogar bis an sein Lebensende 1995 nicht von den erlittenen psychischen Traumata erholen konnte. 1948 kehrte meine Familie schließlich nach Wien zurück, gänzlich ohne Besitz und zunächst als Flüchtlinge. Auch dort mussten wir uns noch jahrelang mit einigen systematischen Benachteiligungen herumschlagen, wobei es uns schließlich aber gelang, uns trotz aller Widrigkeiten wieder eine Existenz aufzubauen.

In einer nun gezeichneten und verarmten Familie lebend, galt mein Fokus ganz meiner Ausbildung. Erst in der französischen Schule in Wien (da keine andere Schule gewillt war mich aufzunehmen), dann zunächst an der Hochschule für Welthandel, doch bald schon an der Technischen Hochschule in Wien. Trotz offenkundiger Voreingenommenheit gewisser Mitglieder des Lehrpersonals, und regelmäßig durch meinen schlechten Gesundheitszustand zurückgeworfen, gelang mir 1968 schließlich der Abschluss zum Diplomingenieur in Technischer Physik. Alsdann versuchte ich als Unterstützung meiner Familie am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, was mich im Rahmen einer Leihassistenz für eine Unternehmensberatung schließlich zur Österreichischen Mineralölverwaltung ÖMV brachte, wo es mir gelang, mich vom Programmierer zur Abteilungsleitung hochzuarbeiten, und von wo aus ich 1994 in Pension ging. Inzwischen hatte ich eine eigene Familie inkl. zweier Kinder gegründet aber bereits beide Eltern verloren. Auch möchte ich an dieser Stelle hervorheben, dass mein Lebensmittelpunkt seit 1948 ununterbrochen in Wien war und ist, und dort (bzw. in dessen Umgebung) auch alle meine wichtigsten Bezugspersonen, inkl. der Familie meines Sohnes, leben, und ich beabsichtige, in Wien meinen (weiteren) Lebensabend zu verbringen.

Wie viele andere Opfer des dritten Reichs, so hatte auch ich für etliche Jahre große Schwierigkeiten von dem Durchlebten zu erzählen, geschweige denn es zu verarbeiten. Es eröffnete sich mir jedoch ein Zugang zu meinem eigenen Trauma über das südspanische Musikgenre Flamenco. Der Grund hierfür liegt darin begründet, dass die gemeinsam mit mir im KZ Rivesaltes gefangenen spanischen Kinder Flamenco-Gesang als Mittel zur Kommunikation mit den von ihnen getrennt verwahrten Eltern und Geschwistern nutzten. Auch wenn ich damals inhaltlich kein Wort verstand, so brannte sich die Tonalität dieses Gesangs unvergessbar in meinen Kopf ein, weshalb es auch Jahrzehnte dauerte, bis ich mich überhaupt dieser Kunstform aussetzen konnte, ohne zu stark psychisch belastet zu sein. Mehrere Reisen nach Andalusien und das Verkehren in einschlägigen Kreisen von österreichischen Kunstschaffenden brachten mich außerdem dazu, mehrere Tonträger zu produzieren. Dieses Engagement, sowie eine Zufallsbekanntschaft mit einer kroatisch-österreichisch-spanischen Filmemacherin, führten schließlich dazu, dass ein Film über mein Leben, „Pepi Fandango“, gedreht wurde, welcher am 2. und 4. Mai am „Crossing Europe“ Filmfestival in Linz Österreichpremiere hatte – Weltpremiere des Films war im Oktober 2023 beim Filmfestival in Warschau. Nicht zuletzt wegen dieses Films wurde eine spanisch-jüdische Organisation, und in weiterer Folge die spanische Regierung, auf mich aufmerksam, weshalb ich eingeladen wurde, am 26. Jänner 2024 anlässlich des alljährlichen Holocaust-Gedenktages die Zeitzeugen-Rede vor dem spanischen Senat zu halten. Diese Rede hat eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich gezogen, in Österreich z.B. in Form eines Artikels in der bimestralen Zeitschrift „Tagebuch“, aber v.a. in Spanien, u.a. des spanischen Außenministers, der mir am 31. Jänner 2024 eine staatliche Auszeichnung verlieh, für meine Tapferkeit bei der Flucht vor den Nationalsozialisten, auch stellvertretend für jene meiner Familie und der gesamten sefardischen Community, für meinen Mut, meine Geschichte öffentlich zu erzählen und dabei eine Botschaft des Friedens zu verbreiten, sowie meine Bemühungen, die Sprache der sefardischen Diaspora, das „Ladino“, als Kommunikationsform zu bewahren. Im Rahmen dieser Ehrung wurde mir außerdem ans Herz gelegt, um eine spanische Staatsbürgerschaft anzusuchen. Abgesehen davon, dass dies wohl als Zeichen der Anerkennung zu verstehen sein dürfte, so ist die Geste vermutlich auch als Teilwiedergutmachung der Vertreibung der spanischen Jüdinnen und Juden als Folge des Alhambra-Edikts von 1492 gedacht. Im Wesentlichen geht es hier also um die ehrenvolle Wiederherstellung meiner vor fünfhundert Jahren verlorenen Bürgerrechte. Im Hinblick auf meine eigene Geschichte ist es somit sicherlich verständlich, dass ich dieses versöhnliche Angebot gerne annehmen würde, auch wenn ich deswegen meinen Lebensmittelpunkt keineswegs aus Österreich weg zu verschieben gedenke, und folglich den gegenständlichen Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsangehörigkeit stelle.

Zusammenfassend sei festgehalten, dass mir als Nachfahre des aus Spanien vertriebenen jüdischen Volkes der Sefarden und als direktes Opfer des Nationalsozialismus (Amtsbescheinigung WNr. 5117), dessen Lebensmittelpunkt mit Ausnahme eines fluchtbedingten neunjährigen Zeitraums immer in Wien war und auch bleiben soll, nun die Verleihung der Staatsbürgerschaft meiner Ahnen in Aussicht gestellt wurde. Eine Staatsangehörigkeit sowohl zu Österreich als auch zu Spanien wäre mir nicht nur angesichts meiner Geschichte und jener meiner Vorfahren ein persönliches Anliegen, sondern würde mir auch im Hinblick auf meine zukünftig geplanten Aktivitäten als Zeitzeuge administrative und organisatorische Erleichterungen verschaffen.

Diesem Ansuchen wurde mittlerweile stattgegeben.